MVZ Timmermann und Partner und die Kaiser-Apotheke besprechen Medikationspläne ihrer Patienten. Die Ärzte Julia Behrendt, Jochen Timmermann, (v.l.) und Karim Masri (r.) im Gespräch mit den Apothekern Berit und Jan-Udo Ensuleit. Themen sind regelmäßig Neuerungen aus dem Bereich Pharmakologie aber auch Medikationslisten von Patienten. Foto: Krieschen
CUXHAVEN. Das Schlagwort „Medikamentensicherheit“ ist gerade in vieler Munde. Zum Beispiel, weil gefälschte Medikamente aufgetaucht sind. Und weil Patienten, die mehr als drei Medikamente schlucken, Anspruch auf einen „Medikationsplan“ haben. Während Ärzte- und Apothekerverbände mit der Politik um Details feilschen, ist man in Cuxhaven beim Medizinischen Versorgungszentrum Timmermann und Partner (MVZ) schon weiter. Dort besprechen die Ärzte mit einem Apotheker die Medikation ihrer Patienten.
Genau genommen fällt das neue Vorhaben der Gesundheitspolitik unter die „Arzneimitteltherapiesicherheit“. Es gehe nämlich nicht um die Gefährlichkeit einzelner Medikamente, erläutert Apotheker Jan-Udo Ensuleit von der Kaiser- Apotheke, der zwischen „Nebenwirkungen“ und „Wechselwirkungen“ unterscheidet.
Erstere treten immer dann auf, wenn – vereinfacht gesagt – ein Patient ein Arzneimittel nicht verträgt. Eine neue Therapie kann Abhilfe schaffen. Deutlich unberechenbarer und Ziel des „Medikationsplanes“ sind die „Wechselwirkungen“.
Ebenfalls vereinfacht formuliert: Medikamente, die der Patient für sich genommen jeweils gut verträgt, sorgen zusammen genommen für Komplikationen. Werden zum Beispiel bestimmte Blutverdünner mit bestimmten Schmerzmitteln genommen, können die Schmerzmittel die Wirkung der Blutverdünner aufheben – ein Schlaganfall kann die Folge sein.
Für Jochen Timmermann und seine Kollegen im MVZ von besonderer Wichtigkeit: Psychopharmaka können die Reizweiterleitung am Herzen beeinflussen. Auch dort drohen gefährliche „Wechselwirkungen“. Wobei Psychopharmaka längst nicht mehr nur von Timmermann, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, und seinen Berufskollegen verschrieben werden.
Ihm ist aufgefallen, dass diese Medikamente auch immer häufiger von Schmerztherapeuten verordnet werden. Ebenfalls wichtig: Was besorgt sich der Patient selbst, um seiner Gesundheit vermeintlich auf die Sprünge zu helfen?
Die Gründe für eine „Fehlmedikation“ können bei jedem Beteiligten liegen, weiß Jochen Timmermann. Seine Kollegen und er befragen schon seit längerem jeden neuen Patienten nach den Medikamenten, die er nimmt. Ein Dutzend Tabletten täglich seien keineswegs selten, und es könne sein, dass die Ärzte im MVZ die ersten sind, die den kompletten Überblick haben – wenn der Patient bei mehreren Ärzten in Behandlung ist, und diese sich nicht absprechen.
Oder im ungünstigsten Fall nicht einmal voneinander wissen. Timmermann: „Der Internist macht sein Ding, der Orthopäde seines…“ Wenn ein „Stamm-Apotheker“ vorhanden ist und der alles, was sein Kunde schluckt, im Blick hat, sei schon wieder Sicherheit gewonnen.
APOTHEKER MIT IM BOOT
Jochen Timmermann, der wie jeder Arzt auch Pharmakologie studiert hat, gesteht den Apothekern zu, bei Fragen zu Medikamenten noch mehr Fachleute zu sein. Deshalb habe sich das MVZ mit Jan-Udo Ensuleit einen Apotheker mit ins Boot geholt. Einmal im Monat treffen sich Ärzte und Ensuleit, tauschen Neuigkeiten und Erfahrungen aus. Bei ihnen auffälligen Medikamentenlisten geben die MVZ-Mediziner diese anonymisiert an den Apotheker und erhalten seine Einschätzung.
Das Cuxhavener MVZ geht mit dieser Zusammenarbeit schon über das hinaus, was der Gesetzgeber in Sachen „Arzneimitteltherapiesicherheit“ derzeit verlangt. Der hat nämlich den Medikationsplan den Ärzten zugeordnet und die Apotheker außen vor gelassen. Dabei ist deren Expertise mittlerweile schon an immer mehr Krankenhäusern gefragt.
Der Trend geht dahin, die im Hause befindlichen Apotheker zu den Visiten hinzuzuziehen, um so gefährlichen Wechselwirkungen von Medikamenten auf die Spur zu kommen.
Stichworte zum Thema
„Medikationsplan“: Seit dem 1. Oktober 2016 haben Patienten, die mehr als drei Medikamente bekommen, Anspruch auf einen „Medikationsplan“. Der ist vereinheitlicht und wird vom Hausarzt oder „koordinierenden Facharzt“ erstellt und aktualisiert.
„Wechselwirkung“: Ein Effekt, der bei Einnahme von mehreren Medikamenten auftreten kann. Dabei kann die Wirkung einzelner Arzneien abgeschwächt oder verstärkt werden. Aber auch andere Stoffe, zum Beispiel Grapefruitsaft, können Wechselwirkungen hervorrufen.
(Von: Von Kai-Chr. Krieschen, veröffentlicht in der CN am 12.06.2017)